Commerce im Wandel: Vom Omni-Channel Commerce zum Customer Engagement

Serie Commerce im Wandel: Teil 4

In den ersten drei Teilen dieser Serie haben wir gesehen, wo der Bereich Commerce heute steht und was Unternehmen jetzt und Zukunft erwartet. Eine Transformation von Geschäftsmodellen vom E-Commerce, zum Omni-Channel Commerce ist ein notwendiger Schritt um mit den Anforderung der Konsumenten und des Marktes schritt halten zu können. Wir stehen jedoch an einer weiteren Stufe der Entwicklung und müssen nicht nur die Kanäle und deren Integration betrachten, sondern den Gesamtbereich des Customer Engagements, der Steuerung und Unterstützung von Kunden innerhalb des gesamten Lebenszyklus einer Unternehmen-Kunden Beziehung.

Hierbei hält gerade der stationäre Handel wieder Einzug in die Gesamtstrategie, jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt wie wir den Verlußt, der im stationären Handel zu verbuchen ist, über andere Kanäle wieder ausgleichen, sondern wie wir den stationären Handel aktiv in den Vertriebskanal-Mix Rückerobern und diesen sogar vorantreiben.

Omni-Channel und Customer Engagement

Innerhalb der „neuen“ Kanäle ist eine Konsolidierung der Daten und der Marketing- und Vertriebs-Prozesse zu weiten Teilen vorangeschritten oder kann technologisch umgesetzt werden. Dies ermöglicht somit ein stringentes Management der Kanäle. Kunden werden maschinell mit den notwendigen und wichtigen Daten versorgt, die Warenzustellung ist über die jeweiligen Distributions-Kanäle organisiert und verläuft problemlos. Die Prozess-Kette vom Informationsfluss über die Beratung, von der Transaktion bis hin zur Zustellung und zu den After-Sales und Loyalty Programmen ist sichergestellt. Technologisch besteht die Möglichkeit all diese Prozessschritte zu vereinen und den Konsumenten eine einheitliche und konsistente Kette von Maßnahmen anzubieten, die diese an allen „modernen“ Touch-Points mit Inhalten versorgt. Wie wir gesehen haben, ist jedoch der Bereich des stationären Handels weiter im Hintergrund, viele Prozesse, die zu einer aktiven Integration aller Touch-Points führen sind im Ladengeschäft noch nicht effektiv berücksichtigt.

Customer Relationship Management und Customer Engagement

Ebenso das Customer Relationship Management, welches meist als Backend-Prozesse/-Technologie verstanden wird um Kunden-Daten und Prozesse im Hintergrund zu organisieren und im Unternehmen zu konsolidieren ist noch nicht in der kompletten Breite aller Kanäle verstanden. Die Integration mit einer Omni-Channel Strategie und die dynamik, die aus solch einem Szenario heraus entsteht ist in einer statisch gedachten CRM Strategie nur bedingt handhabbar, Marketing und Sales Maßnahmen noch zu starr organisiert.

In einem Customer Engagement Modell ist das Ziel, den oder die Kunden nicht nur mit Informationen zu versorgen, sondern die Rolle der Kanäle wird mehr und mehr von Beratungsstrategien geprägt. In den modernen Kanälen sind es Bereiche wie:

  • Zielgerichtetes Cross- und Upselling auf Basis dynamischer Segmentierungs-Maßnahmen
  • Empfehlungen auf Basis von Kundenkäufen, der Historie aber auch auf Basis des Verhaltens der Kunden
  • Eingliederung von Kunden in unterschiedlichste Interessenskreise, die nicht mehr abhängig von einer unternehmensseitig definierten Zielgruppen-Steuerung sind
  • Auswahl der richtigen Produkte auf Basis der konkreten Anforderungen der Kunden
  • Betreuung des Kunden nach der Transaktion unter Berücksichtigung von Kunden- und Produkt-Lebenszyklen.

Sogar das Produkt-Portfolio-Management eines Unternehmens muss die dynamischen Prozesse und Veränderungen berücksichtigen und ist auf eine Vielzahl von Parametern angewiesen, die nicht mehr in einer einfachen Matrix abbildbar sind.

Natürlich kommen hier Themen wie Big-Data ins Spiel, welches wir aber an dieser Stelle nicht konkreter besprechen möchten und können. Hier entsteht nicht nur ein großer Bereich bzgl der Daten-Speicherung, sondern auch der Daten-Verwaltung und ebenso natürlich der Daten-Nutzung. Das Verständnis über die Komplexität der Prozesse und Daten wird um ein vielfaches größer und benötigt auf Personen-Ebene eine Vielzahl von interagierenden Spezialisten und Generalisten, die ein solches (Organisations-) Modell betreiben können.

Der Stationäre Handel – eine Vielzahl von neuen Prozessen

Nun wieder zurück zum Bereich des stationären Handels. Während wir in den „modernen“ Kanälen die Beratungsmittel und Prozesse/Tools in Form von dynamischen oder Regelbasierten Empfehlungs oder auch „Guided Selling“ Tools zur Verfügung haben, ist dieser Beratungsansatz im stationären Handel zwar ein Added-Value, bei der Vielzahl der Produkte und Themen jedoch nicht mehr einfach Handhabbar. Das Personal in den Ladengeschäften ist entweder überfordert, oder wird durch die verwendete Technologie primär auf den Bereich der Transaktion beschränkt.

Wenn wir jedoch die neuen Prozesse wie z.B.:

  • BOPIS: Buy Online Pick Up in Store
  • Buy Online and in Store (Kombinierte Warenkörbe)
  • Buy Online, Pick up in Store, Home Delivery
  • Buy Online, Deliver from multiple stores and warehouses
  • Return in Store
  • Select Online, Appointment in Store

anschauen, sehen wir, wie wichtig eine Hohe Integration, sowie eine Neuausrichtung des Verkaufspersonals ist.

Durch diesen Beratungsansatz, ergibt sich eine Fülle von Maßnahmen um das Verkaufspersonal auf die neue Situation vorzubereiten. Proprietäre Technologien am Point-of-Sale sind nur aufwendig in diese neuen Prozesse zu integrieren. Ebenso die im 2. Teil der Serie angesprochene Mobilität der Kundenberater ist ein zentraler Aspekt, welche es dem Verkaufsberater ermöglicht den Kunden „am Ort des Geschehens“, nämlich bei den Produkten, zu beraten und eine Transaktion unabhängig vom Standort im Laden durchzuführen.

Push-to-Store

Mit solch einer Strategie läßt sich das Ladengeschäft nicht nur auf den Bereich einzelner Transaktionen und beliebiger vom Verkäufer abhängiger Empfehlungen reduzieren. Gerade bei Produkten, die einen hohen Bedarf an Erklärung notwendig machen, oder Haptisch und visuell aufwendig sind (wie Kleidung, Elektronikartikel, Luxusgüter, etc.), oder aber in einer Vielzahl von Variationen erhältlich sind (Möbel, Autos, etc.) ist unter Berücksichtigung des Verkaufspersonals eine Push-to-Store Strategie maßgeblich für weiteres Umsatzwachstum verantwortlich.

Das Wissen der Produktmanager und Vertriebsstrategen muss notwendigerweise direkt in die Ladengeschäfte transportiert werden um diesen Kanal genauso effizient und effektiv zu nutzen, wie die Online-Kanäle.

Risiko stationärer Handel

Im stationären Handel spielt ebenso die Erwartung der Kunden eine entscheidende Rolle. Sobald dieser Kanal gewählt wird erwartet der Kunde beraten zu werden. Er möchte sich nicht mehr selbst informieren. Jede Informationslücke im stationären Handel ist ein Risiko, mobile Technologien ermöglichen dem Kunden einen Kanalwechsel im Laden vorzunehmen und natürlich gleichzeitig einen Wechsel des Anbieters.

Entsprechend wird heute durch den Mangel an Informationen und Möglichkeiten in den Ladengeschäften Umsatz verschwendet und bewusst in Kauf genommen, das die Potentiale nicht ausgenutzt werden. Zum Ausbau der Fähigkeiten im stationären Handel ist es notwendig die Abhängigkeit von Einzelpersonen aufzulösen und das Verkaufspersonal zu „Enablen“.

Chance stationärer Handel

Die Chance im stationären Handel ist, das hier Menschen mit Menschen interagieren und eine Beziehung zu diesen aufbauen können. Das Beziehungsmanagement – das Customer Engagement – spielt eine weitaus größere Rolle um erfolgreich zu Transaktionen zu führen.

Der Verkaufsberater, als „wissender“ Spezialist, kann direkt die Reaktionen und das Verhalten des Kunden „ablesen“ und mit den entsprechenden Informationen diesem Empfehlungen noch besser aussprechen als dies online möglich ist. Dies führt vor allem zu einer Veränderung der Weiterbildungsmöglichkeiten des Personals im stationären Handel. Heute basieren diese Maßnahmen vor allem auf dem Hintergrund des Wissens über Produkte und dem Portfolio oder den Fachbereichen im stationären Handel. In Zukunft wird hier noch mehr das eigentlich Beziehungsmanagement und die menschlichen Aspekte der Kundenbetreuung im Vordergrund stehen. Das eigentliche Produktwissen wird durch Technologien den Verkaufsberater zur Verfügung gestellt, sein Fachwissen wird mit Hilfe mobiler Point-of-Sale Technologien direkt in Interaktion mit dem Kunden angewendet.

Kunde – Verkaufsberater – Unternehmen

Wir sehen, bietet das Aufbrechen der Grenzen zwischen modernen Medien und dem stationären Handel eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten bietet. Technologien treten stärker in den Bereich ein, menschliche Beziehungen bekommen eine um ein vielfaches höhere Bedeutung. Kunden erwarten Hilfe und Beratung, Verkaufsberater stehen vor neuen Herausforderungen und Unternehmen sind in der Verantwortung Informationen und Prozesse sowie Fähigkeiten auszubauen und zu einer gesamtheitlichen „Customer Experience“ zusammenzuführen. Die Lorbeeren können erst geerntet werden, wenn alle Maßnahmen übereinstimmend aufgesetzt sind und alle Beteiligten sowie Technologien vereint sind.

Solch eine Strategie hat natürlich auch einen großen Einfluß auf die Unternehmen und deren Organisation. Wie Unternehmen in solch einem Szenario die Leadership in Ihren Aktivitäten behalten bzw zurückbekommen wird im nächsten Teil dieser Serie behandelt.

Über den Autor

Dominic Veit

Dominic Veit ist seit vielen Jahren im Bereich E-Commerce und Omni-Channel Vertrieb tätig. Nicht nur auf Dienstleister und Hersteller Seite konnte er wertvolle Erfahrungen schöpfen, sondern auch auf Kundenseite große Omni-Channel Aktivitäten leiten. Als Pragmatischer Visionär ist Dominic Veit daran interessiert nicht nur Trends aufzuzeigen, sondern Unternehmen dabei zu unterstützen Visionen und Strategien pragmatisch umzusetzen.

Bei maihiro GmbH ist Dominic Veit für das Beratungsgeschäft im Bereich Omni-Channel Commerce verantwortlich. maihiro ist Spezialist für CRM, Customer Engagement und Commerce Lösungen. Einer Vielzahl von Kunden hat maihiro dabei geholfen die Vertriebs, Marketing und Service Prozesse erfolgreich und kundenorientiert zu gestalten.